13. Januar 2001
Morgens um 7.30 Uhr besammeln wir uns im Grünfeld. Es ist kalt und das Cafe, wie immer so früh, nicht offen. Als wir alle 7 „Trocken“-Taucher beisammen haben, verfrachten wir unser Gepäck in zwei Autos und fahren Richtung Schwyz. Wir brauchen kein .GPS-System, wir haben Felix (FGN – Felix Gebert Navigation) der fährt.
In der Zentralschweiz befindet sich das mit 250 km2 grösste Karstgebiet der Schweiz. Es erstreckt sich vom Dorf Muotathal ostwärts über den Pragelpass bis zum Glärnisch, gegen Süden bis zum Klausenpass und in westlicher Richtung bis fast an den Vierwaldstättersee. Mit Karst bezeichnet man eine Landschaft mit grösstenteils unterirdischer Entwässerung. Damit sind die Bedingungen für eine Höhle gegeben. 180 km von diesen Gängen sind bis heute vermessen.
Etwas zu früh und ohne grosse Umwege treffen wir beim Restaurant Höllgrotte im Muotatal ein. Das Restaurant ist klein und gemütlich und der Z’Morgentisch ist bereits gedeckt. Kaum sitzen wir, gibt’s Kaffee…. Die zwei „fremden Gäste“, die sich mit unserer Gruppe in die Höhle trauen, setzen sich zu uns. Auch das zweite Auto vom TCJR hat den Weg gefunden.
Nach dem Z’Morgen gibt’s ein Briefing von Hans, unserem Exkursionsleiter. Nun ziehen wir uns im Stübli unter allgemeinem Gelächter um; alle zwängen sich in ein Uebergwändli und sind sich noch nicht so bewusst, was drunter anziehen und was in den Rucksack ….
In einem Hüttli etwas weiter oben an der Strasse werden die Gummistiefel, die Karbidlampen und Helme gefasst. Wir „zünden“ uns gegenseitig an, damit die Lampen brennen. Also jetzt kann’s losgehen. Wir sind zu allem bereit.
Ueber einen schmalen Wanderweg geht es bergauf zum Eingang der Höhle. Der Eingang öffnet sich 734.4 müM und wurde erstmals 1875 erwähnt. Der Name Hölloch hat nichts mit der Hölle zu tun, sondern der Entdecker fand einen hälen (rutschigen) Weg in ein Loch.
Es ist 10.00 Uhr, wir kontrollieren noch einmal unser Licht und ab geht’s ins Dunkel. Der Anfang der Höhle ist leicht begänglich, da die Tourismusbranche Geld witterte und 1 Mio in den Ausbau der Höhle investierte. 1 ½ Jahre war die Höhle sogar elektrisch beleuchtet. Die Naturgewalten, bzw. das Wasser, wurden jedoch stark unterschätzt und 1917 ging die investierende Gesellschaft Konkurs.
Nach dem Rittersaal folgt schon bald der Kamin. Die Luft rauscht wie ein Wasserfall durch das Loch. Dieses ist mit Brettern abgedeckt, damit es in den restlichen Gängen nicht so heftig zieht. Im Sommer stehen die Bretter vor dem Loch und im Winter hinter dem Loch, da sich der Luftzug je nach Jahreszeit wendet.
Und hier endet auch die Zivilisation. Wir klettern hinunter, damit wir gleich wieder hinauf klettern können. An den unsicheren Stellen sind Leitern oder Seile angebracht. Und an einem Platz können wir unsere Höhlentauglichkeit testen. Durch ein ca. 2 Meter langes Loch: einfach die Arme voraus mit den Zehen stossen und ja nicht’s anziehen, denn sonst bleibt man stecken. Hoffentlich müssen wir während unserer Tour nicht solche Löcher erforschen. An der bösen Wand klettern wir über 40 m eine Leiter hinauf. Zum Glück ist es dunkel, Marianne ist nicht schwindelfrei! Vorbei an Steinmühlen, die teilweise in der Mitte noch einen schönen Zentralzapfen haben, an zwei oder drei Stalagniten und zwischendurch findet man kleine Seen und Flüsschen. Es bleibt uns auch nicht erspart auf allen vieren zu kriechen oder auf dem Hosenboden runterzurutschen. Ab und zu gönnt uns Hans eine kleine Pause und klärt uns über die Entstehung etc. einer Karsthöhle auf.
Langsam etwas hungrig, stehen wir vor einem Gang nach oben, der ziemlich niedrig ist. Jetzt heisst es noch ca. 20 Min. bis zum Biwak Nr 1. Wir wagen uns an das letzte Stück und finden heraus, dass wir hier einfach schneller laufen sollten; vorne halten, hinten schieben, zum Glück lassen mich Felix und Albert nicht einfach wieder retour rutschen. Rucksäcke ab, durch ein enges Loch, noch kurz einen Fototermin, damit wir unseren Fotografen Felix auch auf dem Bild haben. Irgendwie wieder in die richtige Richtung drehen und weiter.
Im Biwak Nr. 1 angekommen, staunen wir nicht schlecht. Die sind hier drinnen ziemlich gut eingedeckt. Wir höcken uns auf die Festbänke und essen mit Genuss unseren mitgeschleppten Proviant. Hier ist es jedoch nicht besonders gemütlich und auch etwas kalt (jedenfalls für mich). Wir sind froh, dass wir hier nicht übernachten müssen.
Bis jetzt sind wir zu Fuss 2.7 km gelaufen, bzw. gekraxelt und die Luftlinie zwischen Eingang und Biwak beträgt 1.1 km.
Nach dem Z’Mittag packen wir unsere sieben Sachen wieder ein. Wir frischen unsere Lampen mit neuen Karbidsäcklein auf. Jetzt geht sogar die Lampe von Mauro, die sich unterwegs etwas zickig anstellte. Die Rucksäcke können wir noch im Biwak lassen, da wir einen Abstecher in den Wasserdom machen.
Mit einem kleinen Abstieg über eine Wand erreichen wir einen grossen Saal, in dem es feucht wird. Ein riesiger Wasserfall schiesst mitten aus einem Loch in der Decke, in etwa 30 Meter Höhe dieses Saales, auf den Boden runter. Beeindruckend! Hier zeigt uns Hans die ersten Höhlenbewohner. Es sind blinde Höhlenflohkrebse, die ca. 2 cm gross werden und ziemlich weiss bis durchsichtig sind.
Zurück im Biwak fassen wir unsere Rucksäcke. Nun machen wir uns auf den Rückweg mit einigen Varianten. Es wird wieder auf dem Hosenboden gerutscht , durch niedrige Gänge gekraxelt und die nächsten Höhlenbewohner, die Höhlenwürmer werden uns vorgestellt. Röbi, Felix und ich machen einen Extragang durch den Steigbügel. Hier wird’s eng und wir kriechen auf dem Bauch durch den Steigbügel hindurch. Nun sind Röbi und Felix auch so dreckig wie ich, ha, ha. Wir laufen ziemlich lang mit einem Bächlein mit, immer daneben oder teilweise auch drin. Langsam werden alle etwas müde, aber das Ende ist noch lange nicht in Sicht. Ab und zu erkennen wir wieder einen Gang oder eine Leiter, an der wir auch schon vorbei gekommen sind.
Nach „etlichen anstrengenden Stunden“ kommen wir wieder an die böse Wand und klettern die 40 m lange Leiter hinab. Unten ist es stockdunkel mit gerade mal einer und dann zwei Lampen, und auch unser „Guru“ Urs vermag diese Dunkelheit nicht mehr zu durchdringen.
Am Schluss wird’s hart, durchhalten heisst das Motto. Kurz vor dem Höhlenausgang begegnet uns eine Horde Touristen, alle schön sauber, in Anzügen, Krawatte etc. und starren uns entsetzt an; wie lange wir denn schon in dieser Höhle sind und ob wir denn auch bezahlt hätten, da wir so dreckig sind???
Um 17.30 Uhr haben wir den Eingang der Höhle erreicht….. und draussen ist es dunkel. Wir machen uns an das letzte Stück bis zum Hüttli.
Im Hüttli angekommen, können wir das stinkende Karbid abgeben und die Gummistiefel mit unseren eigenen Schuhen umtauschen. Röbi, Felix und ich starten freiwillig noch eine kurze Putzparty, damit Hans nicht alles allein machen muss. Das heisst Fliessbandarbeit, Behälter mit Luft auspusten, Helme desinfizieren und putzen und in den nächsten „Ecken“ schmeisen.
Im Restaurant ziehen wir uns um und tanken etwas Flüssiges. Wir schwatzen ein bisschen mit Hans und erhalten sogar ein Zertifikat für unseren „Stress“. Um ca. 19.00 Uhr machen wir uns auf den Heimweg. Felix muss eine dicke Schicht Eis vom Auto kratzten. Was war denn heute für Wetter? Niemand von uns hat eine Ahnung.
Auf dem Heimweg essen wir noch etwas und dann freut sich jeder auf die Badewanne zu Hause, um den Dreck abzuwaschen und die „geschundenen“ Gliedmassen zu verwöhnen.
Der Tag im Hölloch war beeindruckend und überwältigend, es hat sich gelohnt die Strapazen auf sich zu nehmen, obwohl wir uns drinnen nicht mehr entscheiden konnten, da wir ja wieder raus mussten…
Die Beschreibung vom Veranstalter ist auf jedenfall treffend:
Vergiss Raum und Zeit, tauche ein in die Urkraft der Natur und erfahre die gewaltige Dimension des Höllochs, dem drittgrössten Höhlensystem der Welt. Die Gänge bergen unzählige Geheimnisse: Leben in der Dunkelheit, erdgeschichtliche Zeitabläufe, stille unterirdische Seen, Tropfsteingänge und Forschergeschichten – starke Emotionen, hoher Erlebniswert, Erfahrungen im Grenzbereich und Teamspirit sind der Lohn!
Yvonne